< Blog der medienrettung
Videokassetten: Die 5 Erfolgsbausteine
Wussten Sie eigentlich, wem wir die Einführung der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle) für den Jugendschutz im Jahre 1983 verdanken? Der VHS-Videokassette! In den 80ern war die VHS-Kassette das gängige System für den Verkauf und Verleih von Spielfilmen und rückte in den Fokus vom Jugendschutz.
Aber der Zauber begann viel früher, nämlich in den 1970er Jahren. Zu dem Zeitpunkt startete die japanische Firma JVC mit der Entwicklung.
1976 brachte das Unternehmen das Video Home System (VHS) in Japan auf den Markt. Obwohl Sony mit Betamax bessere Qualität lieferte und führend war, nahm der Marktanteil von VHS rasant zu. Welche Punkte waren dafür verantwortlich?
Die 5 Erfolgsbausteine von VHS
VHS-Kassetten lieferten 2 Stunden Spieldauer
Ein Erfolgsbaustein des Systems war die Länge der Kassetten. Normal waren zu dem Zeitpunkt lediglich Längen von bis zu 60 Filmminuten. Eine Länge, die für Spielfilme und damit der Filmindustrie völlig uninteressant war. Die VHS-Kassette dagegen punktete mit zwei Stunden Aufnahmedauer, die aber bald erweitert wurde. Damit boten die Kassetten das Potenzial für die Aufnahme und den Vertrieb von Spielfilmen.
Die Lizenzpolitik von JVC
Obwohl Sony mit dem Betamax-System von 1975-1977 führend in der Videorecorder-Technologie war, konnten sie sich nicht halten. Wieso? Sony versuche Betamax als Standard zu etablieren. Entsprechend restriktiv ging Sony bei der Lizenzpolitik vor.
JVC erkannte die Chance, die in einer offenen Lizenzpolitik lag. Von Beginn an baute das Unternehmen ein Netzwerk von verschiedenen Anbietern auf. Die ersten Lizenzen gingen an Hitachi, Sharp und Mitsubishi. Die Gebühren waren vergleichsweise günstig. JVC bot sogar an, komplette Produkte zu liefern oder aber beim Aufbau von Fertigungsanlagen behilflich zu sein. Dank dieser Strategie verfügte das Unternehmen schnell über ein großes Vertriebsnetz und auch Anbietern von VHS-Geräten.
Der Lohn: Nur 2 Jahre nach Einführung des Systems in Japan und USA gehörte VHS zu den weltweit führenden Systemen im Bereich Videotechnologie.
Die Filmindustrie und bespielte Filmkassetten
Neben der Möglichkeit von eigenen Filmaufnahmen erkannten JVC und Filmanbieter das Potenzial für den Verkauf von bereits bespielten Filmkassetten. Damit entstand für die Filmindustrie ein neuer Markt inklusive neuer Wertschöpfungsketten.
JVC trieb das ganze voran und unterstützte Filmanbieter mit günstigen Konditionen für Hochgeschwindigkeits-Kopiermaschinen. Schnell lag damit ein breites Angebot an Spielfilmen in entsprechender Anzahl auf VHS-Kassetten vor.
Der Videotheken-Boom
Der Preis für bespielte Filmkassetten lag anfangs bei 100,- DM. Ein kostspieliges Vergnügen. Der Preis für den Verleih von Kassetten betrug dagegen weniger als ein Zehntel des Verkaufspreises. 1977 startete Georg Atkinson den ersten Videoverleih in den USA. Das war der Startschuss für die kommerzielle Videovermarktung der Filmindustrie. In Deutschland eröffnete 1979 die erste Videothek in Nordrhein-Westfahlen und Anfang der 80er gab es einen Boom an Videotheken deutschlandweit.
Natürlich setzten die Betreiber von Videotheken auf das Format mit dem größten Marktanteil bei bespielten Filmkassetten. Damit hatten die VHS-Kassetten gute Karten und dominierte in den Videotheken.
Der Preis des Video Home Systems
VHS war von Beginn an wirklich für die Gruppe der Heimanwender konzipiert. JVC setzte bereits bei der Bedienung an. Sie sollte so einfach und anwenderfreundlich wie möglich sein. Dank der offenen Lizenzierungspolitik lag der Gerätepreis deutlich unter dem der Konkurrenz von Betamax und Co. Mit zunehmender Anzahl von Anbietern sank der Preis für VHS-Kassetten und VHS-Recordern über die Jahre merklich.
Ach ja, bis heute hält sich ein Gerücht: Angeblich hat die Pornoindustrie einen wesentlichen Anteil am Siegeszug der VHS. Denn VHS gehörte zu den Systemen, die sich der Pornoindustrie nicht verweigerten – im Gegensatz zu Betamax. Aber wie gesagt, so richtig gesicherte Quellen gibt es dazu nicht. ;)
Die Geschichte der VHS-Kassette als Infografik
2015 - das Ende der VHS-Ära
Alles geht einmal zu Ende. Über 20 Jahre war VHS das marktführende Heimvideo-System. Im Jahr 2000 verfügten 72% der deutschen Haushalte über einen VHS-Videorekorder.
Die Jahrtausendwende brachte so einiges an Neuerungen mit sich. Unter anderem zogen vermehrt DVD-Player in die Haushalte ein. VHS-DVD-Kombigeräte zeugen noch von der Übergangsphase. Den Fall der VHS-Kassette konnten sie nicht stoppen. Und die DVD löste das Video Home System langsam aber stetig ab.
JVC stellte bereits 2008 die Produktion von VHS-Kassetten ein. Und im Jahr 2015 gab es den endgültigen Produktionsstopp seitens der letzten Anbieter.
Ist ein Comeback der VHS-Kassetten möglich?
So leid uns das für VHS-Liebhaber tut, aber ein Comeback ähnlich wie bei der Vinyl-Schallplatte ist fraglich. Heute setzen sich Streaming-Lösungen wie Amazon, Netflix etc. durch. Will man TV-Sendungen aufnehmen, werden diese auf Festplattenrecordern gespeichert. Außerdem stehen uns mit DVDs und Blu-rays gute physische Speicher-Formate zur Verfügung. Bei Blu-rays geht man sogar von einer Lagerzeit von 50 Jahren aus.
Fazit: Digitalisierung der VHS-Kassetten ist angeraten
Auch wenn man bei VHS-Kassetten bei sachgerechter Lagerung von einer Haltbarkeit von 20-30 Jahren ausgeht, ist Handlungsbedarf angesagt. Denn neben den Kassetten müssen Sie auch die Videorekorder archivieren. Ohne technische Geräte können Sie mit den Filmen nichts anfangen.
Denken Sie daher rechtzeitig über eine Digitalisierung Ihrer VHS-Kassetten nach. Wir übernehmen das gerne für Sie.
In dem Blogartikel Videokassetten selbst digitalisieren: 3 Gründe und 3 Wege haben wir aber auch beschrieben, wie Sie selbst Hand anlegen können.